Ahnenbotschaft: Lasst euch nicht beirren

Welcher Ahne oder welche Ahnin hat eine Botschaft für uns?
Ich sehe eine etwas kräftigere, junge Frau. Sie ist hübsch und auch entsprechend zurecht gemacht. Sie trägt ein seidiges, olivgrünes Kleid mit Puffärmeln. Ihre Haut wirkt ähnlich zart und sehr hell und leicht glänzend von einem zarten Schweißfilm. Es ist warm hier. Sie hat rotblondes H
aar und ein paar Sommersprossen, ihre Wangen ebenfalls gerötet von der Wärme. Vermutlich ist sie noch keine 20 Jahre alt und mit Sicherheit aus einer wohlhabenden Familie. Ich bin noch nicht sicher in welcher Zeit ich bin oder an welchem Ort.
Sie sitzt an einem Tisch vor einer schlichten weißen Wand. In der Hand hält sie einen Fächer, passend zu ihrem Kleid und fächert sich etwas Luft zu. Sie sitzt etwas schräg an dem Tisch und hat den Blick sehr aufmerksam auf etwas gerichtet. Jetzt sehe ich, dass da noch mehr Menschen in dem Raum sind. Sie sitzen an Tischen, die wie ein U angeordnet sind. Schlichte weiße Tischdecken liegen darauf. Die meisten haben ein Getränk vor sich stehen. Wasser, Kaffee, Tee. Alle ihre Blicke sind nach vorne gerichtet, wo ein Mann steht und mit ihnen spricht. Es scheint eine Art Versammlung zu sein. Alle sind gut und vornehm gekleidet.
Der Mann, der vorne steht, hat schwarze Haut, die meisten seiner Zuhörer haben weiße Haut, aber nicht alle. Es sind Männer und Frauen anwesend. Scheinbar oft Paare. Die Ahnin, die ich hier besuche, scheint mit ihren Eltern hier zu sein. Sie wirkt neugierig und voller Freude.
Ein Blick durch die Fenster auf der einen Seite des Raumes, lässt mich vermuten, dass sich diese Gesellschaft hier irgendwo weit außerhalb einer Stadt befindet. Draußen ist trockener, heller Sandboden, zwei oder drei kleinere Bäume, ein Nachbargebäude oder ein Flügel dieses Gebäudes. Es ist auch von außen weiß und hat eine Veranda. Sonst sehe ich nichts außer ein paar angebunden Pferden. Vom Gefühl her sind wir in Afrika, vielleicht im 19. Jahrhundert?
Der Mann hat seinen Vortrag beendet und verneigt sich knapp, seine Zuhörer applaudieren wohlwollend und erheben sich. Die Gesellschaft verlässt den Raum in kleinen, sich unterhaltenden Grüppchen. Im angrenzenden Raum gibt es verschiedene Sitzgelegenheiten und große Flügeltüren stehen offen in Richtung Veranda. Diener gehen mit Erfrischungen herum. Das alles sieht sehr nach einer großen Villa im Kolonialstil aus.
Ich finde die Ahnin auf einer weißgestrichenen Holzbank, etwas abseits der anderen und setze mich zu ihr. "Ist das nicht unglaublich aufregend?!" ist ihr erster Satz, den sie zu mir sagt und lässt ihren Blick umherschweifen. "Was genau meinst du?" frage ich zurück. "Na alles! Afrika! Die Wildnis! Das Abenteuer! Wilde Tiere! Ich war zuvor nie anderswo als in Maine. Und jetzt sieh dir das alles an! Es ist so aufregend!" Sie beginnt sich wieder mit ihrem Fächer Luft zuzufächeln. Ich sehe das Leuchten in ihren Augen und jedes ihrer Worte ist voller Begeisterung. Ich sehe aber auch den verstohlenen Blick, den sie einem der anwesenden jungen Männer zu wirft. "Wer ist das?" frage ich sie direkt. Sie wird rot. "Mit ein bisschen Glück ist er in wenigen Tagen mein Verlobter. Ich weiß noch nicht viel über ihn, aber er lebt hier! Wieder schweift ihr Blick voller Begeisterung durch den Raum." "Das ist sein Haus?" frage ich sie und sie antwortet ehrlich "Das seines Vaters. Aber es wird mal seins sein und ich könnte hier mit ihm leben!" Jetzt macht sie den Eindruck, als würde sie diese Vorstellung gleich überwältigen. Sie fächert stärker und versucht langsamer zu atmen. Er schaut jetzt tatsächlich ach zu ihr herüber und nickt höflich.
Ich grinse und komme zum Thema.
"Was ist deine Botschaft für uns?" frage ich sie. Jetzt schaut sie mir tief in die Augen. Möglichst ernst, trotz all ihrer Verliebtheit. Sie beginnt: "Es geht um Träume. Nicht die, die du nachts hast, sondern die, die du immer hast. Tags und nachts. Wünsche, die mehr als Wünsche sind. Weil du eigentlich schon weißt, dass sie in Erfüllung gehen. Ja, gehen müssen."
Ich bin gespannt und nicke ihr zu. "Ich habe als Kind Bilder gesehen von Tieren, die es bei uns nicht gab und ich wusste, dass ich die wirklich einmal sehen werde. Giraffen, Elefanten, Löwen. Sowas alles." Ich lächle, daher kommt also all ihre Begeisterung. "Alle haben mich dafür ausgelacht, fährt sie fort. Ich soll nicht albern sein. Ein Mädchen wie ich käme niemals dort hin." Ich schaue sie fragend an. "Ein Mädchen wie du?" frage ich nach. Und jetzt schaut sie ein bisschen beschämt auf ihre Hände mit den weißen Spitzenhandschuhen, die sich an den Fächer festhalten. "Ich war ein Waisenkind. Bis ich 5 Jahre alt war. Ich lebte bei einer alten Tante, die mich zwar liebevoll aufgenommen hatte, aber wir hatten nicht viel. Nach Afrika reisen, wäre niemals möglich gewesen!"
"Dann sind das nicht deine Eltern" frage ich und blicke zu dem Paar, von dem ich dachte, dass sie mit ihnen hier war. "Nicht meine leiblichen. Aber als meine Tante zu alt war, um sich um mich zu kümmern, da nahmen sie mich als ihr eigenes Kind auf. Sie waren die Nachbarn meiner Tante und sie konnten keine eigenen Kinder bekommen." "Was ein Glück du hattest," freue ich mich mit ihr. Sie nickt und schenkt ihren Adoptiveltern einen liebevollen kurzen Blick.
"Mein Vater ist ein intelligenter Mann und hat dann bald recht viel Erfolg gehabt. Wir sind in die Stadt gezogen und ich habe viele schöne Kleider bekommen, bin auf eine gute Schule gegangen und habe weiterhin von Afrika geträumt. Tags und Nachts." Jetzt ist ihre Begeisterung wieder zurück. "Und jetzt bin ich hier! Und wenn Mister Graham um meine Hand anhält, dann werde ich hier bleiben dürfen! Nichts habe ich mir mehr gewünscht." Ich freue mich wirklich mit ihr. "Wahrscheinlich haben nicht viele Mädchen so viel Glück wie du."
Jetzt schenkt sie mir einen verschwörerischen Blick. "Genau darum geht es. Das ist kein Glück. Nein, also doch. Natürlich ist es Glück, weil es mich ja so glücklich macht. Aber Zufall ist es nicht. Ich habe mir das erträumt, ich habe es mir jeden Tag gewünscht. Egal, wie unwahrscheinlich es war. Egal, ob ich dafür ausgelacht wurde. Mein Herz wusste, dass ich hierherkommen würde. Und ich habe einfach meinem Herzen geglaubt und mich nicht irritieren lassen. Das ist das Wichtigste. Sich nicht irritieren lassen. Ich glaube, dass viele Leute, die erfolgreich sind, genau das Gleiche tun. Ich habe meinen Vater gefragt. Ich habe andere erfolgreiche und glückliche Menschen gefragt. Sie haben immer alle das gleiche gesagt. Dass sie irgendwo in sich drin immer wussten, dass sie einmal da sein würden, wo sie jetzt sind. Und sie haben sich nie beirren lassen. Sie haben diesem Wissen vertraut und weiter geträumt. Ich wusste nicht, wie ich hierherkommen würde, aber ich wusste, dass ich eines Tages hier sein werde. Und es ist noch viel schöner als ich es mir vorgestellt habe. Noch viel, viel schöner." Sie strahlt mich begeistert an!
Da tritt der junge Mann zu uns heran, ihr potenzieller Verlobter. "Entschuldigung, die Damen" beginnt er "darf ich ihre Unterhaltung einen Moment stören und Miss Beatrix in den Garten führen. Ihre Eltern haben mir gesagt, sie interessiere sich dafür, was hier wächst." Der Blick den sie mir entschuldigend zuwirft, spricht Bände. Es ist ein verschwörerisches "Siehst du, es funktioniert!" Wir erheben uns und ich bedanke mich bei ihr für ihre Botschaft, dann ergreift sie den Arm ihres zukünftigen Mannes. Ich habe genauso wenig Zweifel an dieser Heirat wie sie. Wer könnte Augen widerstehen, die vor Begeisterung nur so sprühen.
Zuletzt geht mein Blick nochmal hinaus und dann verschwimmt ihre Welt langsam und wird wieder zu meiner. Sich nicht beirren lassen. Ja, das ist eine wundervolle Botschaft.
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