Ahnenbotschaft: Macht eure Träume zu Prophezeiungen dadurch, dass ihr an sie glaubt
- Ilka Sventja Küster
- 16. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Welcher Ahne oder welche Ahnin aus dem kollektiven Ahnenfeld möchte sich heute zeigen und uns eine Botschaft überbringen?

„Prophezeiungen sind nur Möglichkeiten, Angebote wie sich alles entwickeln kann. Du musst an sie glauben, um sie wahr werden zu lassen.“ Ohne irgendwelche Bilder habe ich diese Stimme im Ohr. Eine tiefe, rauchige Frauenstimme. „Eine Prophezeiung gewinnt an Kraft, je mehr Menschen daran glauben, je öfter sie weitererzählt wird, je mehr Gefühle sie auslöst.“ Mein Herz klopft aufgeregt, während ich gebannt lausche. Ich will kein Wort verpassen. Das was ich höre hat Gewicht, ist bedeutsam.
„Viele Prophezeiungen werden nie wahr. Nicht weil sie falsch gewesen sind, nicht weil die Möglichkeit nicht bestand, sondern weil sie nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Es ist nicht so, dass sie nicht hätten sein können.“ Langsam bekomme ich ein Bild zu dem Ton. Eine alte Frau in einem abgedunkelten Raum. Wenige Kerzen brennen und schenken ein wenig Licht. Die Frau sitzt vor einer Kristallkugel, die auf einem lila Samtkissen ruht. Ich sehe sie aber nicht nur als alte Frau. Irgendwie flackert ihre Erscheinung. Ich sehe sie jung und schön. Ich sehe sie als starke Frau mitten im Leben. Ich sehe sie als die weise Alte, die jetzt vor mir sitzt. Heute hat sie sich nicht mehr herausgeputzt. Sie trägt keine figurbetonten Kleider mehr, keinen funkelnden Schmuck und keinen Lippenstift. Heute trägt sie schlichtes Schwarz und ihr graues Haar zu einem leichten Knoten im Nacken.
Sie sieht müde aus und sie schaut nicht in die Kristallkugel auf dem Tisch. Sie schaut auch mich nicht an. Ihr Blick ist zum Fenster gerichtet, wo ein schmaler Lichtstrahl durch die verdunkelnden Vorhänge fällt. Sie macht den Eindruck, als hätte sie all das, was für sie früher so wichtig war, hinter sich gelassen. Sie redet wie in eigenen Gedanken versunken weiter in Richtung Fenster. „Möglichkeiten... Je älter wir werden, desto weniger Möglichkeiten bleiben uns selbst noch und desto mehr Möglichkeiten sehen wir für andere. Doch die Jungen wollen die Worte einer Alten nicht hören. Nicht mal einer alten Wahrsagerin.“ Sie stößt abschätzig Luft durch ihre geschlossen Lippen. „Was wissen die schon vom Leben.“
„Was weißt du vom Leben?“ frage ich sie jetzt, „Ich bin gekommen, um dir zuzuhören.“ Langsam wendet sie den Kopf und schaut mich an. „Ja, das bist du, ich weiß. Und ich danke dir dafür.“ Sie nickt freundlich und ihr Lippen deuten ein Lächeln an. Jetzt wo sie mich direkt anschaut, sehe ich, dass ihre Augen so viel lebendiger und wacher sind als ihr Körper und ihre Stimme. „Weißt du, mein Kind, da draußen wütet die Pest.“ Ich erschrecke mehr als ich müsste. Sie sieht es mir an und kann sich ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Dann hustet sie und beruhigt sich langsam wieder.
„Ja, die Pest. Die da draußen sterben gerade wie die Fliegen. Habe ich es vorhergesehen? Ja. Hat es den Menschen Angst gemacht? Oh ja. Doch was haben sie getan? Nichts. Sie haben ihre Angst in Wein ertränkt. Sie haben über mich gelacht. Doch innen drin, da nagte die Angst an ihren Herzen. Sie erzählten sich die Bilder, die ich wahrgenommen hatte, wieder und wieder. Doch redeten sie sich ein, dass es alles dummes Zeug war. Phantastereien einer alternden Wahrsagerin, die Aufmerksamkeit suchte. Aber tief in ihnen drin fühlten sie den drohenden Schatten und fürchteten, dass ich recht haben könnte.“
Ich schlucke trocken und erinnere mich an ihre ersten Worte, bevor ich sie gehen habe. „Was hätten die Menschen deiner Meinung nach tun sollen? Deiner Prophezeiung weniger Aufmerksamkeit schenken, damit es nicht passiert?“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein, die Prophezeiung hat viel zu viel Angst ausgelöst. Wer hat keine Angst vor dem Tod frag ich dich. Nein, ich hätte etwas anders machen sollen. Ich hätte es besser wissen sollen, als mit einer solchen Höllenbotschaft hausieren zu gehen. Aber auch ich hatte Angst und von der Angst getrieben, wollte ich die Menschen warnen.“ Jetzt fährt sie mit der Hand durchs Gesicht, schließt die Augen und schüttelt den Kopf. „Weißt du, wie oft ich Visionen hatte, die ich niemandem erzählt habe? Ich kann sie gar nicht zählen. Gutes und Schlechtes habe ich für mich behalten, weil keiner da war, dem ich es hätte sagen können, weil keiner dafür gezahlt hat, weil es mir nicht wichtig erschien, weil ich meine Ruhe wollte, … Und traten sie ein? Ich weiß es in den meisten Fällen gar nicht, weil ich die Leute nicht kannte oder die Gegend nicht wieder besuchte. Vielleicht traten sie nicht ein, weil ich ihnen schon keine Beachtung schenkte.“ Eine Träne läuft ihr Wange hinab und ihre Stimme versagt.
Ich atme tief ein und würde ihr gerne mitfühlend die Hand reichen, aber sie sitzt hinter dem Tisch mit der Glaskugel zu weit weg von mir. Dann nimmt sie ein Taschentuch aus ihrem Ärmel, putzt sich die Nase und sammelt sich erneut. Ich setze zum Sprechen an, möchte ihr sagen, dass sie unmöglich daran Schuld haben kann, dass da draußen die Pest wütet, aber ihr Blick und ein kurzes Rucken ihres Kopfes, bedeuten mir nichts zu sagen.
„Ich wollte dir nicht mein Leid klagen. Das ist für dich gar nicht wichtig. Ich habe eine Botschaft für dich, für euch. Vielleicht kann ich wenigstens noch etwas Sinnvolles beitragen.“ Ich nicke aufmunternd.
„Sprecht über das Gute. Glaubt daran. Erzählt euch Geschichten und Märchen von einer wundervollen Zeit, die kommen wird. Denn sie wird kommen. Auch ich habe sie gesehen in meinen Träumen und Visionen. Sie haben immer wieder mein Herz erfüllt, aber es war auch so klar, dass es so weit weg ist, dass weder ich noch meine Enkel es jemals erleben werden. Also blieb ich still und teilte mit niemandem die wundervollen Bilder, die ich sah. Ich trug sie wie einen kleinen Schatz in meinem Herzen, dabei hätte ich diesen Schatz teilen können und sei es nur, damit sich jemand kurz daran erfreut. Vielleicht braucht es gar nicht mehr. Vielleicht sind Visionen gar nicht dazu da, dass wir sie irgendwann real erleben. Vielleicht sind sie einfach nur da, um uns das Herz leichter zu machen in schweren Zeiten. Vergrabt euren Glauben an eine glückliche Zukunft nicht in euren Herzen. Redet euch nicht ein, dass ihr erst all die Probleme lösen müsst. Erzählt euch eure Träume, schmückt sie aus, sodass andere sie fühlen können. Macht eure Träume zu Prophezeiungen dadurch, dass ihr an sie glaubt und sie miteinander teilt. Selbst wenn die Menschen nur für einen kurzen Moment fühlen, wie schön es wäre, bevor sie es als Unfug beiseiteschieben, verändert das schon etwas. Schau dir da draußen das Gegenbeispiel an. Sie fühlten den Stich der Angst und sie schoben ihn beiseite. Hat es etwas geholfen? Nein. Das Gefühl ist der Nährboden, das sehe ich nun so klar.“
Sie trägt das mit einer solchen Vehemenz vor, dass ich tief durchatmen muss. Sie schaut mich beinahe flehentlich an, als ob sie befürchtet, ich könnte ihr nicht glauben und die Botschaft hier und jetzt töten, indem ich sie für mich behalte. Ich habe Tränen in den Augen und jetzt stehe ich auf. Ich gehe um den Tisch herum und vor ihr in die Knie. Ich ergreife ihre beiden Hände. Die weichen, faltigen Hände einer sehr alten Frau und streichle sie liebevoll. Dann schaue ich zu ihr hoch und in ihre Augen. „Ich danke dir für deine Botschaft, Donna Sophia.“ Woher der Name plötzlich kommt, weiß ich nicht. „Ich werde sie achten und ehren und weitertragen. Das verspreche ich dir.“ Irgendwie ist das ein feierlicher, heiliger Moment.
Sie löst eine Hand aus meiner und streicht mir über den Kopf. Dann beugt sie sich vor und küsst mich auf die Stirn. „Danke, dass du gekommen bist und mich angehört hast. Ich weiß, die Botschaft ist bei dir in guten Händen.“ Dann wendet sie sich zum Tisch und nimmt die Glaskugel auf. „Die brauche ich nicht mehr. Ich habe nicht mehr lang in diesem Leben und ich habe alles gesehen, was ich sehen sollte. Ich möchte, dass du sie mitnimmst. Halte sie für mich in Ehren. Vielleicht begegnen wir uns eines Tages wieder.“ Achtsam nehme ich ihr die schwere Kugel aus der Hand. „Wenn das eine Prophezeiung sein soll, dann musst du daran glauben.“ sage ich zu ihr mit einem Lächeln und sie lächelt zurück. „Ich glaube.“ sind ihre letzten Worte, bevor ich zurück in meine Welt kehre. (empfangen zum Ostermond 2025)
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